Die Suche nach der richtigen Gesangslehrerin oder dem richtigen Vocal Coach gestaltet sich manchmal recht schwierig. Das kennen wir sowohl aus eigener leidvoller Erfahrung als auch aus den Erzählungen unserer Schüler:innen.
Es gibt eine große Menge an Lehrer:innen, die sich auf dem Markt anbieten, die tolle Videos machen, die uns vielleicht sogar empfohlen werden und trotzdem kann es sein, dass sie nicht die Richtigen für uns sind. Gerade als Anfänger:in ist es sehr schwer herauszufinden, was Qualität ist und auch ob jemand zu uns und unseren Zielen passt.
Wir möchten dir ein paar Tipps mit auf den Weg geben, wohl wissend, dass es trotzdem schwierig ist. Denn die Stimme ist so unglaublich individuell, dass es natürlich sein kann, dass der eine Mensch bei der gleichen Person viel lernen kann und der andere leider nicht. Denn es gibt viele Ebenen, die bei einem guten Vocal coach eine Rolle spielen.
Punkt 1: Welche Ausbildungen hat der Vocal Coach gemacht?
Als erstes ist uns wichtig, dass ihr genau nachfragt, welche Ausbildungen euer Coach gemacht hat oder woher er oder sie ihre Erfahrung als Gesangslehrer:in hat. Hat sie an einer Hochschule studiert? Wenn ja, hat sie Gesang studiert oder auch Gesangspädagogik? Hat er oder sie (zusätzliche) Fortbildungen absolviert?
Punkt 2: Was ist das Fachgebiet, was ist die Stilrichtung, die dein Vocal Coach anbietet?
Hat sich der von dir ausgewählte Coach auf etwas spezialisiert? Hat er oder sie ein Fachgebiet, wo sie sich besonders gut auskennt und passt das zu dem style, den du lernen möchtest? In der Klassik könnte es jemand sein, die sich auf Alte Musik spezialisiert hat. Wenn du am liebsten Verismo Opern singen möchtest, wäre es interessant zu schauen, wie deine Lehrer:in mit deiner bevorzugten Musik umgeht.
Im Bereich Popularmusik könnte es sein, dass du in einer Death Metal Band singen möchtest, deine Lehrer:in viel Ahnung von Belting hat, sich aber beispielsweise mit Screaming noch nie beschäftigt hat.
Da gilt es genau zu schauen, was kann ich bei der Lehrer:in, die ich mir ausgesucht habe lernen. Passt es zu dem, was ich lernen möchte.
Punkt 3: Sympathie und Wellenlänge
Ganz grundlegend sind aber auch die persönlichen Dinge. Natürlich sollte uns der Mensch, den wir uns aussuchen sympathisch sein. Denn wenn wir uns nicht angenommen und nicht sicher im Gesangsunterricht fühlen, können wir uns nicht öffnen. Unsere Stimme hat viel mit Öffnung zu tun. Das Autonome Nervensystem, vor allem der Vagus Nerv innervieren unsere Stimme und sind gleichzeitig dafür zuständig, dass wir uns ganz grundlegend in Sicherheit fühlen können. Wenn dich das Thema weiter interessiert lies gern hier weiter.
Punkt 4: Wie geht dein Coach mit den emotionalen Themen um?
In eine ganz ähnliche Kategorie gehört auch der menschliche Umgang miteinander. Dein Coach sollte sich auf alle Fälle mit psycho-emotionalen Themen gut auskennen. Denn Singen ist so persönlich, dass es nie auszuschließen ist, dass die eigene Geschichte hoch kommt, manchmal sogar in massiver Form, wenn deine bisherige Geschichte von sehr negativen Erlebnissen geprägt sein sollte. Gerade dann ist Musik etwas, was uns besonders anziehen kann, denn oft können wir in Songs, die wir besonders lieben eigene Erfahrungen verarbeiten und mit unserem ganzen Herzblut singen.
Und gleichzeitig sollte deinem Coach klar sein, dass er dich auffangen kann, aber nicht dein Therapeut ist. Das sollte für euch beide klar sein. Es sind zwei grundsätzlich unterschiedliche Vereinbarungen, die man miteinander trifft, ob man Gesangsunterricht oder Therapie sucht.
Sich über diese Dinge auszutauschen ist sehr wichtig.
Kleine, nicht ganz so erfreuliche Erfahrung zum Thema Therapie oder Gesangsunterricht:
Ich selber hatte vor sehr vielen Jahren einen Gesangslehrer, der es als ein persönliches Verdienst ansah, seine Schüler:innen zum weinen zu bringen, weil er sich wohl gut dabei fühlte, dass er so tief in die Psyche der Menschen eindringen konnte. Das ist missbräuchlich und sollte auch so benannt werden. Natürlich kann es passieren, dass du im Unterricht weinen musst, weil dich etwas sehr berührt, weil du an alte Wunden gekommen bist, das ist ein Zeichen für die eigene Berührbarkeit und komplett in Ordnung so. Und das Wissen und Mitgefühl deines Coach ist an der Stelle sehr wichtig. Aber es sollte nicht provoziert werden.
Punkt 5: Erzählt dein Coach ständig von sich und seinen großartigen Erfolgen?
Werde vorsichtig, wenn dein:e Lehrer:in dir zu viele großartige eigene Geschichten erzählt. Natürlich sollte sie Erfahrung mitbringen, sowohl als Lehrer:in als auch als Sänger:in, aber wenn die eigene Person zu sehr im Vordergrund steht ist für dich nicht mehr sehr viel Raum. Manche Lehrer:innen nutzen ihre Schüler:innen als Bewunderer und Publikum, weil sie vielleicht selbst nicht mehr so viel auf der Bühne sind und das Unterrichten nur eine weitere Möglichkeit ist, um Geld zu verdienen und bewundert zu werden.
Es spricht nichts dagegen, wenn sie auch mal von sich erzählt. Besonders wenn es Geschichten sind, die sich auf das beziehen, was du selbst gerade erlebst. Das kann sehr bereichernd und vor allem motivierend sein, wenn wir als Schüler:innen das Gefühl haben, unsere Lehrer:innen wissen, wovon sie reden und sie haben den gleichen Weg gemacht, auf dem wir uns gerade befinden. Das kann Mut machen und neue Perspektiven aufzeigen.
Punkt 6: fachliche Kompetenzen
Kommen wir jetzt zu den eher fachlichen Fragen und Kompetenzen.
Natürlich sollte dein Coach wissen, wie die Stimme funktioniert und aufgebaut ist. Wenn man unterrichtet reicht es nicht aus, wenn jemand gut singen kann. Denn wir erleben uns selbst anders als unsere Schüler:innen und wir hören uns selbst anders. Wenn wir nur das, was in uns vorgeht während wir singen und auf unsere Schüler:innen übertragen, ist das eindeutig zu wenig und wird den verschiedenen Menschen mit ihren vielfältigen Stimmen nicht gerecht.
Du solltest in jeder Stunde das Gefühl haben, dass du wirklich etwas Neues gelernt hast. Deine Fragen sollten im wesentlichen beantwortet werden können. Sicher weiß auch dein Coach manchmal keine Antwort und das ist total normal und in Ordnung, aber er sollte es klar formulieren. Und dann wird er oder sie sich hoffentlich auf den Weg zu einer Antwort machen.
Nach keiner Stunde sollte dir dein Hals weh tun. Beruhigungen im Sinn von: da muss sich jetzt deine Stimme erst einmal dran gewöhnen. Muskelkater gibt es auch an den Stimmbändern sollten dich misstrauisch machen. Egal in welcher Stilistik du singst, ein Zeichen von Halsschmerzen sollte sehr ernst genommen werden, besonders wenn es immer nach den Gesangsstunden und öfter vorkommt.
Hat dein Coach ein Konzept?
Zu den fachlichen Kompetenzen gehört auch ein Konzept. Dein Coach sollte erkennbar einem Konzept folgen können in dem Sinn, dass er weiß, was eine Stimme braucht, um sich entwickeln uns wachsen zu können. Was sind Übungen, die dir dein Instrument Stimme erst einmal klar machen? Was ist am Anfang möglich und womit wärst du überfordert?
Der grundlegende Aufbau deiner Stimme sollte am Anfang stehen, denn wenn du die Basics nicht beherrschst wird es immer schwieriger werden mit den komplexeren Fragen, die sich bei schweren Songs ergeben umgehen zu lernen.
Und an der Stelle finden wir leider viele Kolleg:innen, die sich einseitig darauf verlassen, wenn sie dir nur gut genug vorsingen, was sie möchten, dass du es dann schon umsetzen kannst. Aber das trifft leider in den allerseltensten Fällen zu. Denn allein vom Vorsingen bekommst du keine genaue Kenntnis, wie sich dein ganz eigenes Instrument anfühlt
Auch die Auswahl der Songs, die du bei deiner Entwicklungsstufe singen kannst spielt dabei eine wichtige Rolle. Denn woher sollst du wissen, welche Songs vielleicht noch zu schwer für dich sind? Sie sollte also Alternativen anbieten können, eine Repertoire Kenntnis besitzen, so dass du dich mit deinen Stücken nicht überforderst. Und gleichzeitig Immer wieder neue Dinge ausprobieren kannst.
Punkt 7: Die pädagogischen Kompetenzen
Über das Know-how der psycho-emotionalen Themen habe ich schon weiter oben geschrieben. Aber es gibt noch weitere pädagogische Kompetenzen, die ein:e Lehrer:in mitbringen sollte.
Wichtig ist unter anderem das Wissen um die Art, wie man eine Stunde aufbaut. Aber auch ein Gesamtkonzept, wie man eine Stimme zum Erfolg bringen kann.
Sie sollte damit zurecht kommen können, wenn du Übungen ablehnst, wenn du die Dinge, die sie sagt auch mal in Frage stellst. Deine Zweifel, die aufkommen können sollten ernst genommen werden. Sie sollte sich dadurch nicht immer gleich persönlich angegriffen fühlen.
Natürlich sind auch Lehrer nur Menschen, haben Gefühle, sind verletzt und zeigen das auch. Aber das sollte offen kommuniziert werden können. Und sie sollte ihre persönlichen Gefühle als das betrachten können, was sie sind, nämlich persönlich. Und damit dann allein und für sich umgehen und sie nicht ihren Schüler:innen vor die Füße werfen. Das macht eine sich selbst reflektierende und gut ressoucierte Lehrkraft aus.
Wenn du die Übungen, die vorgeschlagen werden ablehnen solltest
Wenn du eine Stimm- oder Körperübung nicht machen möchtest ist das dein gutes Recht. Du musst dich nicht rechtfertigen und auch deine Lehrkraft sollte das akzeptieren. Manchmal möchtest du vielleicht sagen, warum dir diese Übung jetzt nicht angenehm ist, manchmal möchtest du aber vielleicht auch einfach nur Nein sagen dürfen, ohne jede Erklärung. Beides sollte im Unterricht möglich sein.
Wenn du allerdings zu vielen Übungen nein sagst, solltet ihr euch beide überlegen, ob du bei der richtigen Person im Unterricht bist. Vielleicht gefällt dir die Lehrerin sehr gut, aber ihre Methode passt einfach nicht zu dir. Das ist sehr schade, aber es kommt vor. Und glaub mir, du wirst jemand anderen finden, die auch in der Methode zu dir passt.
Wie ich schon in der Einleitung schrieb, ist die Suche nach einem guten Vocal coach manchmal schwierig. Aber es lohnt sich auf alle Fälle, dafür viel Mühe aufzuwenden und Empfehlungen einzuholen. Denn deine Stimme wird es dir am Ende danken.