Eine Prognose für die Vocal Coach Branche für 2022 erstellen?
Ich war irritiert ob des Themenvorschlags in meiner Blog Community von Judith Peters. Mein erster Gedanke war eine ziemlich gruselige Dystopie. Wie könnte das auch heute, fast zwei Jahre nach Beginn von Corona anders sein? Konzerte werden abgesagt, Opernhäuser schließen wegen neuer Corona Fälle trotzdem überall getestet wird. Die Menschen wagen sich nicht mehr raus, gehen selbst dann nicht in Konzerte, wenn es ihnen möglich wäre. Die Mittel, die für die Kulturschaffenden zur Verfügung gestellt werden, für die gesamte Veranstaltungsbranche scheinen ein Witz zu sein. Wie kann eine Prognose da anders aussehen als schwarz in schwarz? Wozu also diesen Blog Artikel schreiben?
Sollten wir nicht viel mehr im JETZT leben, auf bessere Zeiten hoffen und bloß nicht zu weit nach vorne blicken? Und wer kann schon in die Zukunft blicken, außer den Frauen in den Walla-Gewändern mit den lustigen, glitzernden Kugeln?
Und dann überlegte ich kurz, was ich so sage, wenn man mich fragt: „Wie geht es dir so, gerade auch beruflich im Moment?“. Meist antworte ich zu meiner eigenen Überraschung mit: „Gut“ oder sogar „sehr gut“. Und dann wundere ich mich. Wieso kann es mir gut gehen, wenn die Welt, die ich kenne und liebe anscheinend gerade untergeht?
Unsere 10 Mutmach-Trends für online Vocal coaches in 2022 – eine Prognose
Auf welcher Grundlage kann und möchte ich eine Prognose abgeben?
Ich habe mich inspirieren lassen von Menschen, die sich mit Zukunftsforschung beschäftigen. Dabei wurde ich auf Matthias Horx aufmerksam, der sich selbst einen Visionär nennt. Sein Blog Artikel zur Regnose statt Prognose hat mich berührt und leuchtete mir sofort ein. Er sprach darin über Gehirnforschung und Evolutionsvorteile, lauter Themen, die auch in Bezug auf die Stimme von entscheidender Bedeutung sind, so dass ich gleich andocken konnte.
Also lieber eine Regnose statt einer Prognose schreiben? Aber was genau ist eine Regnose? Ich las das Wort zum ersten Mal in meinem Leben.
Es ist etwas Ähnliches wie eine Prognose, nur irgendwie cooler und anscheinend hoffnungsvoller.
Und genau das können wir in unserer Branche, Gesangsunterricht und Bühne betreffend momentan sehr gut gebrauchen, neue Ideen und vor allem HOFFNUNG.
Bewusstseinswandel und lösungsorientierte Ansätze
Regnose bedeutet, geistig ins Morgen zu springen und uns „rückwärts“ zu fragen, wie wir dort hingekommen sind. Wir sehen plötzlich die Linien, die Verbindungen, die von der Gegenwart in die Zukunft führen. Und dann denken wir von den Lösungen her, anstatt uns auf die Probleme zu konzentrieren.Was konnte und musste sich ändern auf dem Weg, der uns dorthin geführt hat, wo wir schon immer hinwollten?
Auch das ist übrigens eine Art zu denken und zu handeln, die wir im Funktionalen Stimmtraining, in der Rabine-Methode auf eine ganz ähnliche Art und Weise nutzen. Wir schauen nicht auf das, was nicht funktioniert, sondern suchen das, was gut geht, um es als Vorlage für weitere Differenzierungen zu nutzen.
Doch lassen wir kurz Tiki Küstenmacher im besagten Blog Artikel von Horx Wort kommen:
„In unserem tiefsten Innersten wissen wir, dass wir Menschen anpassungsfähig sind und genial erfinderisch. Auf die Frage, ob in der Zukunft „alles besser“ oder „alles schlechter“ sein wird, gibt es keine Antwort, weil der Fehler in der Frage liegt. Es ist eine AAV-Frage (am Arsch vorbei).“
Das nenne ich doch mal eine tolle Herangehensweise. Also was wird uns alles in 2022 gelungen sein und was werden wir an neuen Dingen ausprobiert haben? Und just als ich mir diese Frage stellte, konnte ich feststellen, dass wir schon längst auf dem Weg dorthin waren.
Die 10 hoffnungsvollen Trends, die wir für Stimm-Fortbildungen sehen
1. Die Nachfrage nach online Angeboten durch Vocal coaches steigt
Das erleben wir in unserem Institut und wir sehen, dass dieser Trend anhalten wird. Und einer von vielen Vorteilen ist dabei die Kostenersparnis. Die Räume, die wir immer angemietet haben, sind wunderschön, aber nicht ganz billig. Sie müssen lange im Voraus gemietet werden und sollte ein Kurs nicht stattfinden können, fällt begreiflicherweise ein Ausfallhonorar an. Der Raum hat auch nur eine bestimmte Kapazität. Wir können nicht auf einmal 10 Menschen mehr aufnehmen, nur weil der Andrang größer als erwartet ist.
Ein Zoom Meeting hingegen kann mit sehr vielen Menschen abgehalten werden. Es fallen keine Ausfallgebühren an, die Raumgröße ist nicht beschränkt. Wenn sich unerwartet und erfreulicherweise deutlich mehr Menschen anmelden, kann man die Zoom Option von 100 auf 1000 Teilnehmer:innen mit einem Mausklick und einer Kreditkarte mal eben erweitern.
Klar, haben wir Kosten für all die online Programme und das sind nicht wenige. Wir haben derzeit ein E-Mail Programm, ein Programm für Landing pages, WordPress für die Webseite und den Blog, Canva, um Bilder für uns zu erstellen und ein Programm als Kursplattform für all das Material.
Aber all das ist deutlich flexibler, wir tragen weniger Risiko, wir können sehr kurzfristig planen und haben weniger Kosten pro Event. Die Reichweite der Menschen, die mit uns arbeiten möchten ist sehr viel höher, denn der Ort, von dem aus jemand teilnimmt spielt auf einmal keine Rolle mehr.
2. Wir werden weniger reisen
Diese Aussicht finde ich wunderbar, dass ich im neuen Jahr noch weniger reisen werde als dieses Jahr schon. Ich werde mir nicht mehr auf zugigen Bahnhöfen meinen empfindlichen Sängerinnenhals verkühlen. Ulla steht nicht stundenlang im Stau.
Okay, auch die digitale Autobahn geht manchmal nicht so schnell, wie wir es gern hätten, aber es kommt doch eher selten vor. Und bei Voice Experience haben wir den großen Vorteil, wenn eine von uns kurz im Funkloch steckt, kann die andere übernehmen. Wir sind fit und flexibel. Und unsere Kursteilnehmer:innen sind großartig und haben Verständnis, denn jeder kennt das Thema, plötzlich mal ohne Internet da zu sitzen.
Wir werden sparen, und zwar unsere Reisekosten. Auch die Teilnehmer:innen sparen, Hotel- und Reisekosten.
3. Neue Geschäfts-Ideen für Vocal coaches
Kennt ihr das? Ein Angebot spricht euch total an, ihr meldet euch zu einer kostenfreien Challenge an und seid ganz neugierig. Die Landing page war super, alles passte zu euch. Und dann kommt das erste „Hallihallo, ich freu mich so sehr, dass ihr alle dabei seid“… und ihr traut euren Ohren nicht. Diese Stimme ist so schrill, dass ihr nach kürzester Zeit Kopfschmerzen habt. Oder ihr fragt euch, warum sie sich ständig räuspern muss und fangt irgendwann selber an, euch zu räuspern. Es ist ein wenig der Effekt im Opernhaus, wenn auf einmal alle meinen, sie müssten in die Generalpause husten.
Oder ihr habt das Gefühl, als würde jemand ständig denken, er müsse bis nach Süddeutschland rufen. So wie mir ein Kollege erzählte, dessen Oma grundsätzlich ins Telefon schrie, wenn sie die Familie in den USA anrief. „Wieso Junge, das ist doch weit weg, oder nicht?“
Die Frage wird also sein, wie ich meine Stimme nutze. Denn im online Business ist die Stimme noch viel präsenter als in Präsenzveranstaltungen. Wie bewusst sind wir uns, was wir mit unserem Klang transportieren? Ist es das, was wir wollen? Wie reagieren die Nervensysteme der Teilnehmer:innen auf unseren Klang? Darüber entscheidet sich oft, ob wir an einem Kurs teilnehmen möchten oder nicht.
Ich habe beispielsweise auch einen Schmink Kurs gebucht am Anfang von Corona, denn man sieht uns deutlich mehr aus der Nähe, als wenn ich in einem Raum voller Menschen sitze. Und wenn man die Aufzeichnungen hinterher anschauen kann, möchte man doch irgendwie ansprechend aussehen. Auch die Beleuchtung ist da ein wesentlicher Teil. Das wissen all die, die auf der Bühne stehen sehr gut, wenn sich beispielsweise ein Hobby-Beleuchter nicht mit Farbfiltern auskennt.
Sollten wir nicht die gleiche Sorgfalt auch für unsere Stimmen haben? Hier wartet also eine neue Aufgabe auf all die Vocal coaches, die wir bei Voice Experience und anderswo ausbilden.
4. Die Stimme als Möglichkeit das Immunsystem und die psychische Gesundheit zu unterstützen
Gesundheit ist wichtiger denn je. Durch Corona ist auch sie wieder mehr in den Fokus gerückt. Wie können wir gesund bleiben oder auch wieder gesund werden?
Kann die Stimme helfen, unsere Angst zu überwinden, die uns ja alle auf die eine oder andere Weise immer wieder erwischt. Angst ist ein notwendiges Gefühl, wenn es um Bedrohung und Überleben geht. Aber in einer Pandemie ist die Angst allgegenwärtig. Sie greift unser Immunsystem an, sie bringt Traumata mit sich, die durch unser ständig hoch gefahrenes Nervensystem verursacht werden. Denn was wir Menschen eigentlich brauchen ist Sicherheit. Unser Gehirn ist viel zu oft im Zustand von Gefahr, Kampf, Flucht oder gar Lebensgefahr.
Und was hat das mit der Stimme und dem Singen zu tun? Ihr kennt sicherlich alle die Situation, dass man anfängt im dunklen Keller zu singen oder zu pfeiffen? Unsere Stimme scheint gegen Angst zu helfen, das wissen viele ganz intuitiv. Aber es gibt auch Erklärungen dafür. Denn das Autonome Nervensystem, allen voran der Vagus Nerv helfen uns, uns zu regulieren. Und just dieser Vagus Nerv wird aktiv, wenn wir singen oder summen oder andere Geräusche machen und unsere Ohren aktiv werden können. Und damit können wir uns regulieren, können unser vielleicht auf Daueralarm gestelltes Nervensystem wieder beruhigen.
Gesangsunterricht zu nehmen, zu Hause für sich singen, in der Badewanne, im Auto, in der Dusche singen ist also Gesundheitsvorsorge, so könnte man sagen. Warum also nicht die turbulenten Zeiten nutzen, um mit Gesangsunterricht anzufangen? Wieder eine weitere Möglichkeit für unsere Vocal Coaches, aktiv in der Gesundheitsvorsorge zu werden.
5. Atmung als Gesundheitsfaktor
Aber auch die Atmung, die ein Fachgebiet der Gesangslehrer:innen und Vocal Coaches ist, rückt deutlich in den Fokus. Das Corona Virus kann die Lungen angreifen, indem es u.a. Narbengewebe entstehen lässt, wo keines hingehört. Das ist reversibel, braucht aber fachkundige Unterstützung und Zeit. Gesangslehrer:innen können auch im kommenden Jahr wieder sehr aktiv in der Nachsorge, gerade für Long-Covid Patienten sein. Wer wenn nicht Sänger:innen und Vocal coaches wissen über eine gute und effiziente Atmung Bescheid? Der BDG, Bund deutscher Gesangspädagog:innen bietet eine extra Fortbildung an, damit man sich dort schlau machen und zertifizieren lassen kann.
6. Wir haben die Zielgruppe, die wir uns gewünscht haben
Im Zuge der online Ausrichtung haben wir uns immer wieder mit unserer Zielgruppe beschäftigt. Auf wen möchten wir unser Angebot zuschneiden? Darüber machen wir uns schon länger Gedanken. Und auf einmal haben wir, wie durch Zauberhand viele der Menschen in unseren Kursen, die wir immer haben wollten.
Für Darsteller:innen und Sänger:innen, die im laufenden Opern-, Konzert-, Musicalbetrieb beschäftigt sind, ist es nicht leicht, Fortbildungen zu machen. Allzuoft spielen sie selber, haben Proben zu den unmöglichsten Zeiten. So hatten wir über die Jahre viele, die gern endlich mal etwas bei uns machen wollten, aber immer selber zu singen hatten.
Und auf einmal ist Zeit. Zeit, weil man nicht singen kann. Das ist momentan tragisch, wie viel ausfallen muss, aber viele sind wie wir erfinderisch. Menschen, die selbstständig als Bühnenkünstler:innen unterwegs sind, sind kreativ, sind flexibel, sind inspiriert, sind oft im Flow, lassen sich auf Neues ein, haben tolle Ideen, wissen, wie sie aus brenzligen Situationen heraus kommen und finden immer Positives. Sonst wären sie längst nicht dort, wo sie sind. Wir alle haben diese Fähigkeit schon lange vor Corona entwickelt und können sie jetzt nutzen. Und aus diesem Potential entstehen immer wieder neue Möglichkeiten und Ideen, auf die wir auch im nächsten Jahr gespannt sein können.
Umso schöner, wenn wir mit diesen Menschen zusammen arbeiten, um uns so gegenseitig zu unterstützen neue Wege zu finden. Denn wir haben viele von ihnen in unseren Seminaren, die sagen: endlich habe ich Zeit und die nutze ich jetzt für Fortbildungen.
7. Mehr Flexibilität und Regelmäßigkeit in der online Ausbildungsbetreuung
Solange wir uns für unsere Ausbildung an fünf Wochenenden im Jahr in Präsenz getroffen haben, waren die Abstände sehr groß. Viel an Stoff war vergessen worden, die Menschen hatten sich lange nicht gesehen. Wir haben zwar immer wieder die Anregung, die Bitte an unsere Kursteilnehmer:innen, dass sich Arbeitsgruppen bilden mögen, die sich zwischen den Seminaren treffen, aber allzu oft ist das unterblieben, da einfach keine Zeit war. Das ist digital deutlich einfacher.
Ich habe schon seit Jahren sowohl mit meinen beiden Kollegen von Vocal Dynamics als auch mit Ulla von Voice Experience einen festen Termin für Skype gehabt. Aber das ist jetzt noch normaler geworden und vereinfacht die Dinge ungemein.
Zudem haben wir die Feststellung in unserer seit November laufenden Ausbildungsgruppe gemacht, dass es gut ist, sich 14-tägig treffen zu können. Wir können die Wochenenden etwas kürzer gestalten, so dass jede:r noch Zeit am Sonntag für die Familie hat. Und dann können wir Einheiten live online in den Zwischenzeiten einbauen. Fragestunden in Form von Q&A’s sind ebenfalls kein Problem. Zudem kann alles aufgenommen und auf eine Kursplattform hoch geladen werden, so dass das Lernen problemlos zu jeder Zeit möglich ist. Die einen lieben es, so wie ich am Morgen um 6:00 h, weil sie da am fittesten sind, die anderen so wie Ulla sitzen gern bis tief in die Nacht gemütlich bei einem Glaserl Wein und sind dann unglaublich kreativ. Wir finden das einen nicht zu unterschätzender Vorteil, den die online Trainings haben. Und wir sind sicher, dass uns das auf alle Fälle auch nach der Zeit mit Corona erhalten bleiben wird. Bestimmt jedenfalls noch im nächsten Jahr 2022.
8. Zoom Partys, die neue Event Kultur
Selbst das Feiern auf Zoom ist möglich. Auch das haben wir angefangen anzubieten in unseren längeren Online Ausbildungen. Wir musizieren auf Zoom und erzählen uns einfach etwas, so wie wir es auch beim Bier in der Kneipe tun würden. Und wir lernen auf einmal die Familien kennen, Kinder kommen rein, Haustiere fegen durchs Bild. Wir haben immer das Getränk der Wahl zur Hand, können nach Belieben nachschenken und preiswerter ist es allemal. Es ist so viel persönlicher als wir gedacht haben. Und ich glaube, auch diese Art der zwanglosen Treffen und der spontanen und geplanten Events wird sich im nächsten Jahr fortsetzen und vielleicht sogar noch weitere kreative Seiten entwickeln.
Ich habe übrigens über die online Fortbildungsmöglichkeiten, die sich im letzten Jahr aufgetan haben, etliche neue Menschen „getroffen“. Dreimal hatte ich das Vergnügen, jemanden dann auch live zu treffen,. Und es war, als ob wir uns schon ewig kennen würden. Entgegen den Erwartungen können wir uns auch virtuell sehr gut und nah kennenlernen und neue Freundschaften knüpfen. Das ist für uns Menschen, die wir Kontakt zu anderen Menschen brauchen ein so wichtiger Punkt und ein großer Vorteil, weil wir auf diese Art weite Entfernungen ohne Probleme überbrücken können.
Ich jedenfalls freu mich schon auf die nächste Zoom Party, die ansteht.
9. Neue Möglichkeiten, sichtbar zu werden
Werbung und Sichtbarkeit ist schon immer ein wichtiger Faktor gewesen. Denn was nützen all die wertvollen Angebote, die wir für die Welt haben, wenn keiner sie mitbekommt? Natürlich gibt es schon länger Podcasts, Menschen haben YouTube Kanäle, um ihre Inhalte einem breiteren Publikum zugänglich zu machen und sich zu zeigen. Es werden schon länger Blog Artikel im Internet geschrieben und auch wir sind jetzt seit einiger Zeit dabei mit sowohl persönlichen als auch mit Expert:innenartikeln.
Auf der einen Seite ist der Markt dichter geworden, denn alle verkaufen jetzt über das Internet, erweitern ihre Webseiten, fangen an zu schreiben, zu sprechen und Filme zu drehen. Aber dadurch steigt auch die Möglichkeit sichtbarer zu werden, weil viel mehr Menschen im Internet nach interessanten Angeboten suchen. Auch dieser Trend wird sich fortsetzen, die interaktiven Möglichkeiten werden steigen und wir können gespannt sein, welche Formate neben den uns heute bekannten noch erscheinen werden und welche sich durchsetzen werden.
Die technischen Möglichkeiten werden sich weiter verbessern, es wird neue Programm geben, mit denen man noch besser zusammen singen kann, in denen wir uns noch besser hören und sehen werden, da bin ich ganz sicher. Und auch das werden wir weiter nutzen.
10. Internationale Kurse und die Zusammenarbeit wird deutlich leichter
2018 war ich mit zwei Kollegen in Buenos Aires, um dort einen Kurs zu geben und zu unterrichten. Das war eine faszinierende Reise und wir hatten auch geplant, in der Zukunft so etwas mit Voice Experience zu machen. Doch die Möglichkeiten für weite Reisen sind erst einmal recht eingeschränkt und nicht gut planbar.
Weltweit unterrichten können ist jetzt auf einmal eine Option, die wir vorher nicht in gleicher Weise auf dem Schirm hatten. Wir haben zwar auch immer wieder Menschen, die aus anderen Städten, Ländern und sogar Kontinenten zu uns kommen, aber über online Unterricht ist die Möglichkeit doch deutlich einfacher und selbstverständlicher geworden.
Das einzige Problem besteht manchmal in den unterschiedlichen Zeitzonen, denn meine Nachbarn sind beispielsweise not amused, wenn ich bis 23:00 Uhr Klavier spiele, nur weil dann in Buenos Aires gerade mal der späte Nachmittag angebrochen ist.
Das grundlegende Image-Problem der Kultur
Trotz all der guten Dinge, die wir 2022 erleben werden, sieht es nicht wirklich gut aus für die Kultur. Es sah schon länger nicht mehr gut aus. Denn wir haben Einsparungen überall. Immer wieder Sätze wie: „nein, die Kultur ist nicht nur der Zuckerguss auf dem Kuchen.“
Das wird seine Gründe haben, warum wir es immer wieder so beteuern müssen. Denn natürlich kann man ohne Gesang, Oper, Rockkonzerte, Schauspiel, Performances, Museen und all das überleben. Niemand ist jemals gestorben, weil er das nicht besuchen konnte. Aber bedeutet überleben auch wirklich leben?
Immer wieder verfolgt mich ein Zitat, was schon sehr alt ist, was mich aber heute noch beeindruckt:
„Kultur kostet Geld. Sie kostet vor allem deshalb, weil der Zugang zu ihr nicht in erster Linie durch einen privat gefüllten Geldbeutel bestimmt sein darf. (…)
Substantiell hat die Förderung von Kulturellem nicht weniger eine Pflichtaufgabe des öffentlichen Haushaltes zu sein als zum Beispiel der Straßenbau, die öffentliche Sicherheit oder die Finanzierung der Gehälter im öffentlichen Dienst.
Es ist grotesk, dass wir Ausgaben im kulturellen Bereich ‚Subventionen’ nennen, während kein Mensch auf die Idee käme, die Ausgaben für ein Bahnhofsgebäude oder einen Spielplatz als Subventionen zu bezeichnen. Der Ausdruck lenkt uns in eine falsche Richtung.
Denn Kultur ist kein Luxus, den wir uns leisten oder nach Belieben streichen können, sondern der geistige Boden, der unsere innere Überlebensfähigkeit sichert.“
(Aus einer Rede von Richard von Weizsäcker, 11.9.1991 in Berlin gehalten)
Und es wird sich auch im nächsten Jahr wieder die Frage stellen:
Was gibt uns Kultur in dieser weltweit schwierigen Zeit? Was ist es, was wir dort suchen?
Denn noch suchen wir nach Kultur, wir suchen nach Musik, wir suchen nach Gesang. Wir spüren, dass es mehr als das Salz in der Suppe ist. Es ist etwas, was uns u.a. zu Menschen macht. Kultur ist relevant für uns, auch wenn wir scheinbar gerade im Moment keine große „Systemrelevanz“ haben.
Mensch-Relevanz der Kultur
Aber gerade durch die Vernetzung, die auch im kommenden Jahr weiter gehen wird, die Globalisierung, die nicht aufzuhalten ist, werden wir uns auch weiter in der Kulturszene vernetzen. Unser Bewusstsein entwickelt sich und unter den Umständen, die wir hier haben zu dieser Zeit, kommen neue Gedanken, neue Ideen und neue Gewohnheiten hinzu, die uns hoffentlich mehr und mehr in Richtung der Idee führen, dass Kultur, dass Stimme, dass Gesang nicht nur systemrelevant, sondern Mensch-relevant sein wird, wie ich in einem Blog Artikel schon im August schrieb.
Und dazu brauchen wir dann all die Musiker:innen, die Sänger:innen und natürlich die Vocal Coaches, die ein wesentlicher Teil dessen repräsentieren, was uns als Menschen ausmacht. Wollt ihre Teil unserer Voicees Community werden, dann abonniert doch gern unsere Voice Letter. Denn auch 2022 wird es wieder unseren beliebten Kurs „The Basic“ und viele spannende Themenseminare rund um die Stimme geben.
Und nun ran an die Arbeit, ihr Sänger:innen, ihr Gesangslehrer:innen, ihr Vocal Coaches. Ihr habt nicht weniger zu tun, als mal eben unsere Welt zu retten. Und wir unterstützen euch dabei mit allem, was uns an Know-how und Herzblut zur Verfügung steht.