Voice Experience, das Institut für funktionale Stimmpädagogik in der Popularmusik. Das scheint eine ganz klare Positionierung zu sein. Doch ganz so einfach ist es dann doch wieder nicht.
Wir erklären in unseren “Tequila Talks” kurz und prägnant ein Thema, das uns am Herzen liegt oder zu dem wir immer wieder gefragt werden. Es passt wunderbar bei einem Glas Tequila. Frei nach dem Motto: Mensch, wie toll, dass ich euch hier treffe. Was ich schon immer mal fragen wollte …..
Und eine Frage, die wir in unserer Umfrage immer wieder gehabt haben, lautete:
Lernt man bei euch auch etwas, wenn man eher im klassischen Gesang zu Hause ist?“
Die Frage ist gut 👍
Wir haben in unserer Grundausbildung Level 1 immer gemischte Gruppen. Mal sind die Popularsänger:innen in der Überzahl und mal ist es recht ausgeglichen. Und bisher haben alle davon profitieren können.
Was haben Singen in der Klassik und Singen in der Popularmusik gemeinsam?
Wie kommt es, dass alle profitieren können?
Zuallererst kann man sagen, wir singen alle mit dem gleichen Instrument und das ist unglaublich vielfältig. Und es gibt Gesetzmäßigkeiten, die wir kennen sollten, wenn wir uns mit Singen beschäftigen. Die wesentlichen Fragen, die alle Sänger:innen immer umtreiben, sind:
- Wie kann ich den Klang erreichen, den ich mir wünsche?
- Wie kann ich die Songs singen, die ich möchte?
- Wie kann ich mit dem geringsten Aufwand für mich und meine Stimme singen?
- Und wie kann ich dabei gesund bleiben?
Die letzte Frage stellen sich meist die, die schon durch Schwierigkeiten ihrer Stimme gegangen sind oder jemanden kennen, der Stimmschwierigkeiten hatte.
Für uns alle geht es um Stimmlippenfunktion (Vibrationsquelle), Vokaltraktgestaltung (Resonanzraum), Atmung (der Motor, der die Stimme zum Laufen bringt) und den Körper, denn er beherbergt in Form, Stabilität und Flexibilität unser Instrument Stimme mit allem, was dazu gehört.
Und das bewusst zu machen, das Instrument aufzubauen, das ist ein wesentlicher Faktor im Gesangsunterricht. Das sind die Grundlagen, die jede/r Sänger/in braucht, um ihre Musik ausdrücken zu können über die Stimme. Egal in welchem Genre man später singen wird.
Was ist anders in der Popularmusik als in der Klassik?
Da ist in erster Linie die Ästhetik, die darüber bestimmt, welche stimmlichen Mittel eingesetzt werden und welche nicht. Der Populargesang soll so natürlich wie möglich klingen, was bedeutet, dass er eher der Sprechsprache angelehnt ist. Das beinhaltet bestimmte Risiken, denn nicht in jeder Stimmlage ist das problemlos möglich. Wenn wir sehr hoch oder auch sehr tief singen, brauchen wir eine sehr andere Raumgestaltung als wenn wir in der Lage singen, in der wir sonst auch sprechen. In der Regel wird in der Popularmusik mit Mikrofon gesungen. Von daher muss dort nicht unbedingt auf die Lautstärke geachtet werden, denn auch hauchen und flüstern ist problemlos durch ein Mikrofon zu übertragen. Und doch klingt es beim Singen sehr anders, wenn wir ein effizient arbeitendes Instrument Stimme haben, das auch einen gewissen output liefert.
Der klassische Gesang wird in der Regel nicht verstärkt. Und aus der Tradition heraus ist es wichtig so zu singen, dass man gehört wird. Das bedeutet, die Resonanzräume müssen anders gestaltet werden, weil wir andere Frequenzen brauchen, die uns die Tragfähigkeit der Stimme garantieren. Dadurch hat sich über die Jahrhunderte auch ein komplett anderes Klangideal entwickelt. Z.B. ist das natürliche Vibrato der Stimme ein Qualitätsmerkmal und sollte nicht fehlen. Die Vokalgestaltung ist oft sehr anders als im Sprechen, weil sich die Vokalfarben durch die Notwendigkeit der Resonanz etwas verändern. Die Kehlkopfstellung ist deutlich tiefer als in der Popularmusik. Und da das keine Gewohnheit ist, die wir durch unser Sprechen gelernt hätten, muss das etwas länger geübt werden und braucht seine Zeit.
Woher kommt das Missverständnis, dass Popularmusik anders unterrichtet werden muss als Klassik?
Und ist da vielleicht doch etwas dran?
Ja und Nein, denn die Stimmentwicklung, wenn sie gesund sein soll, geht für alle, die wir betreuen mehr und mehr in Richtung Öffnung des Vokaltraktes. Ein Klang, der sich dahin entwickelt, geht von der Ästhetik mehr in Richtung Klassik. Das natürliche Vibrato entsteht, was in der Popularmusik oft vermieden wird. Entweder aus stilistischen Gründen oder aus Unvermögen.
Und das Wissen, wie bestimmte Sounds, die wir vor allem in der Popularmusik finden, erzeugt werden, gehören in einen Unterricht der Popularmusik hinein und sollten Thema sein.
- Wie erreiche ich Twang?
- Wie kann ich gesundes Belting machen?
- Welchen Sound brauche ich, um im Musical heutzutage bei einer Aufnahmeprüfung oder Audition zu bestehen?
- Was für Effekte kann ich in Rockstücken einsetzen, ohne meiner Stimme zu schaden?
All das sind Fragen, die sich in der Klassik im Gegensatz zur Popularmusik so nicht stellen. Die Fragen sind hier andere. Und doch ist für beide Arten des Gesangs durch die Art wie wir Stimme, Atmung und Körper verbinden sehr viel eigene Stimmentwicklung möglich. Und sobald man anfängt zu unterrichten ist es wichtig, sowohl die Themen aus der Popularmusik zu kennen als auch zu wissen, wie man weiter und weiter in Richtung Öffnung und Schwingung gehen kann, sodass die Stimme dem klassischen Klangideal näher kommen kann.
Wir unterrichten nach der Rabine-Methode und unsere Erfahrung über die Jahre ist, dass beide anscheinend entgegengesetzte Seite bei uns sehr profitieren können.
Interessiert dich unsere Arbeit? Dann steige gern noch bei Get your Voice ein, ein 3-Tages Workshop für 0,- €, in dem du unsere Arbeit kennenlernen kannst.