Kann wirklich jeder singen lernen? Zu dieser Frage hier eine weitere Folge der Serie “Tequila Talks” von Voice Experience.

Wir erklären kurz und prägnant ein Thema, das uns am Herzen liegt oder zu dem wir immer wieder gefragt werden. Es passt wunderbar bei einem Glas Tequila. Frei nach dem Motto: Mensch, wie toll, dass ich euch hier treffe. Was ich schon immer mal fragen wollte …..

Heute schauen wir uns mal eine Frage an, die wir so oder leicht verändert immer wieder hören.

Kann wirklich jede:r singen lernen? Ich habe immer gedacht, entweder hat man eine gute Stimme und kann singen oder eben nicht.

Unsere ganz einfache Antwort heißt: Ja.

Und dann würden wir vielleicht leicht einschränken: im Prinzip ja.

Denn Fakt ist auch, dass Menschen einen unterschiedlichen Zugang zu ihrer eigenen Stimme haben. Wenn ich mir anschaue, welche Menschen über die vielen, vielen Jahre zu mir in den Gesangsunterricht gekommen sind, dann kann ich sagen: fast alle – bis auf zwei – haben gelernt, die richtigen Töne eines Liedes zu singen. Zweimal habe ich Frauen gehabt, die ohne jede Gesangsstunde eine Stimme hatten, mit der sie sofort auf das klassische Konzertpodium hätten treten können.

Und alle konnten ihre Stimmqualität unglaublich verbessern. Sowohl die, die mit sehr guten Voraussetzungen kamen als auch die, die sehr unsicher im Töne treffen waren.

Singen lernen braucht ein Instrument

Unsere Stimme ist ein Instrument. Als Sängerinnen würden wir natürlich sofort sagen: aber sie ist kein Instrument wie jedes andere. Sie ist etwas sehr Besonderes. Und ich glaube, das stimmt auch.

Denn das Besondere an der Stimme ist, dass die Anlagen alle vorhanden sind, aber das Instrument zusammen bauen müssen wir leider selber. Und das nicht einmal, sondern jedes Mal, wenn wir singen. Das passiert euch bei einer Geige oder einem Flügel nicht. Die stehen einfach da, die hat eine Fachkraft zusammen gebaut. Ihr müsst dann nur noch schauen, dass ihr sie richtig behandelt, so dass sie ihre Qualität nicht verlieren (das gilt übrigens auch für Stimmen 😉)

“Einzelteile”, die unsere Stimme braucht

Und das sind die “Einzelteile”, die unsere Stimme braucht, damit sie zu einem gut klingenden Instrument wird. Denn ein Instrument ist sie im Grunde schon, wenn wir sprechen. Aber zum Sprechen nutzen wir längst nicht alle Möglichkeiten aus, die wir haben. Und Sprechen hat auch Mechanismen, gelernt oder nicht gelernt, die für das Singen eher kontraproduktiv sind. Doch dazu in einem anderen Talk bei einem weiteren Glas Tequila.

Wir haben eine Quelle, die den Klang erzeugt. Das sind unsere Stimmlippen (umgangssprachlich oft fälschlicherweise als Stimmbänder bezeichnet).

Und dann brauchen wir einen Resonanzraum. Das sind der Mund-, aber vor allem der Rachenraum. Wir nennen ihn Vokaltrakt. Um das System zum Laufen, in diesem Fall zum Singen zu bringen, brauchen wir den Körper. Er ist mit seinem Tonus, seiner Aufrichtung, seiner Flexibilität und Stabilität entscheidend, dass unser Instrument funktionieren kann. Und dann brauchen wir Treibstoff, um all das in Gang zu bringen und das ist die Luft, unsere Atmung.

Und das war es dann schon. Nun kannst du dich für einen Moment fragen: habe ich all das? Kann ich lernen, all das zu bewegen, zu verändern, zu differenzieren? Kann ich all das besser kennenlernen? Und die Antwort meinerseits heißt wieder: Ja, das kannst du.

Jetzt kommen wir kurz noch zu der Frage: Aber wenn meine Stimme einfach nicht schön ist, was nützt es dann, wenn ich richtig atmen lerne und mich gerade hinstelle?

Ha, hier entdecke ich einen Denkfehler, einen Glaubenssatz, einen mindfuck, wie man sagen könnte. Ich setze einfach mal einen Erfahrungswert dagegen: Es gibt keine hässlichen Stimmen.

Wenn wir glauben, wir könnten nicht singen oder unsere Stimmen sind hässlich, was bei den meisten Menschen erst einmal das Gleiche ist, dann kann es sein, dass unsere Frequenzen, die wir produzieren, nicht unserer Idee von Schönheit entsprechen.

Was kannst du im Gesangsunterricht lernen?

Und da kommt der Gesangsunterricht ins Spiel. Du kannst lernen, deine Atmung anders zu nutzen. Du kannst Atemtechnik lernen, die für das Singen optimal und effizient funktioniert. Die Atmung hat großen Einfluss auf deine Stimme, denn sie hat etwas mit mehr oder weniger Druck zu tun, den du nutzt, um zu singen.

Und dann beschäftigen wir uns im Gesangsunterricht viel mit der Artikulation. Nicht nur, weil du Texte singen möchtest. Sondern wie benutzt du deine Artikulationswerkzeuge Kiefer, Lippen und Zunge?

Wie bewegst du deinen Kiefer? Darf er sich öffnen und wenn ja, wie viel und wie? (dazu haben wir übrigens ein paar Unterrichtstipps und auch eine Übungsanweisung zum Mitmachen auf Instagram)

Und nicht nur das, sondern auch: wie bewegen sich deine Lippen beim Singen? Sie haben einen großen Einfluss darauf, wie dein Resonanzraum geformt ist. Du erinnerst dich, der Rachenraum, der Vokaltrakt.

Und auch die Zunge hat großen Einfluss auf deinen Klang. Glaubst du nicht? Dann sing doch mal einen Ton und bewege deine Zunge dabei. Ändert sich der Klang? Ändert sich der Vokal?

Und all das kannst du im Gesangsunterricht lernen. Damit wird sich der Klang deiner Stimme immer mehr verändern, wenn sich deine Stimme weiter und weiter öffnet. Sie wird anfangen mehr zu schwingen, sie wird lauter werden, ohne dass du dich anstrengen musst, sie wird andere Frequenzen entwickeln. Und wie nebenbei wirst du deine Töne immer sicherer treffen, weil du anfängst, mit deiner Stimme vertrauter zu werden.

Und schöner – was immer das bedeutet – wird sie auch werden. Wir jedenfalls haben noch nie eine hässliche Stimme angetroffen. Stimmen sind sehr unterschiedlich, so wie die Menschen auch sehr unterschiedlich sind. Aber hässlich? Nein, wirklich, noch nie.

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